Seit Jahren setzen sich die Grass Lifter gegen das Vergessen und für die Aufarbeitung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ein. Franz Knoppe, Mitglied der Künstlergruppe, sprach im Interview mit der Freien Presse über die wach gerüttelten Erinnerungen an den NSU und über Verantwortung – auch aus aktuellem Anlass. Gerade zeigt die ARD ihre neue Sendereihe zum NSU.

Freie Presse: In den Spielfilmen über Täter, Opfer und Ermittler hat Zwickau kaum eine Rolle gespielt. Dabei gab es vor allem 2011 und 2012 in der Verwaltungsspitze die Angst, dass die Entdeckung des NSU den Ruf der Stadt gefährdet. Ist Zwickau jetzt raus aus der Nummer?

Franz Knoppe: Unsere Aufmerksamkeit sollte sich auf die Opfer des NSU richten. Wer waren Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Habil Kilic, Mehmet Turgut, Ismail Yasar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubasik, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter? Wie konnten diese Taten geschehen? Welche Rolle spielten die Strukturen in Zwickau und Sachsen? Ich hoffe, dass die Verwaltungsspitze in Zwickau die Untersuchungsausschüsse und den NSU-Prozess in München gut beobachtet und aktiv die Bezüge dokumentiert, damit so etwas nie wieder passiert.

Als am 4. November 2011 das Haus an der Frühlingsstraße in die Luft flog, machten sich alle Sorgen, weil drei Menschen in den Trümmern vermutet wurden. Als sich herausstellte, dass es nicht so war, waren viele erleichtert – und wenig später schockiert wegen der Enthüllungen über dieses Trio. Als ich ein Jahr später wieder in Weißenborn mit Menschen sprach, wollten die am liebsten von all dem nichts mehr wissen.

Das ist jetzt nicht anders. Die Filme sollten wach rütteln. Aber schon der erste Teil über die Täter ist selbst für einen Mittwoch unter dem Zuschauerschnitt geblieben.

War diese Müdigkeit auch ein Grund dafür, dass die Grass Lifter aktiv wurden?

Meine Motivation kam, als am 4. November 2012 ein einsamer Kamerawagen in Weißenborn stand und die Wiese filmte. Wir wollten erreichen, dass wir in Zwickau offen darüber sprechen, über die Hinter- und Beweggründe, damit sich die Gesellschaft so verändert, dass sich so etwas nicht wiederholt.

Hat es funktioniert?

Ja und nein. Ich glaube, es gibt viele, die das Thema aktiv ansprechen. Aber wenn ich mit Schülern darüber rede, gibt es selbst in Weißenborn fast kein Wissen über die Taten. Noch weniger ist bekannt, wie die Opfer leiden. Wir wollten einen konstruktiven Dialog anstoßen, wie aufgeklärt und erinnert werden kann. Den gab es ein wenig, aber er führte nicht dazu, dass die breite Masse aufgeklärt darüber nachdenken würde… weiterlesen

Weitere Informationen über die Grass Lifter: www.grass-lifter.de

Komplettes Interview (Freie Presse)